1. August 2023

"Wir fordern einen fairen Wettbewerb für alle Verpackungsmaterialien"

Karl Hagspiel, Senior Circular Economy Expert, sprach im Interview mit PETplanet über die Recycling- und Nachhaltigkeitsstrategie bei ALPLA und die aktuellen Herausforderungen im rPET-Markt.

Karl Hagspiel

Karl Hagspiel, Senior Circular Economy Expert bei ALPLA.

ALPLA ist seit den 1990er Jahren im Bereich Kunststoffrecycling tätig. Damals wurde eine 1000-ml-Plastikflasche für Lenor aus PCR-Material hergestellt. Seither sind dreiunddreißig Jahre vergangen. Recycling ist heute das Herzstück einer Kreislaufwirtschaft. Was bedeutet Kreislaufwirtschaft für ALPLA?

Kreislaufwirtschaft ist bei ALPLA ein zentrales Thema. Denn wie der Name schon sagt, geht es darum, das Material möglichst lange im Kreislauf zu halten. Zusammen mit dem ebenfalls sehr wichtigen Thema Design for Recycling (D4R) versuchen wir bei ALPLA, Polymere auf einem möglichst hohen Recyclingniveau zu halten. Unser Beitrag mit Fokus auf Kunststoffe ist aber nur ein Teil auf dem Weg zu einem geschlossenen Kreislauf statt der derzeit vorherrschenden Linearität der Weltwirtschaft. Wir unsererseits versuchen unserer Verantwortung gerecht zu werden, indem wir ab 2025 nur noch 100 % recycelbare Verpackungen produzieren, eine große Vielfalt an Mehrwegflaschen anbieten und die Recyclingkapazitäten – sowohl für PET als auch für HDPE – weltweit stetig erhöhen, um hochwertiges, selbst hergestelltes Recyclingmaterial zu erhalten und damit die Verfügbarkeit für unsere Kunden zu gewährleisten.

Im vergangenen Jahr entwickelte ALPLA Österreichs erste moderne PET-Mehrwegflasche für das Mineralwasserunternehmen Vöslauer. Können Sie kurz die Eckdaten des Projekts skizzieren und erklären, warum sich Vöslauer für diese Mehrwegverpackung entschieden hat?

Die PET-Mehrwegflasche für die Mineralwassermarke Vöslauer war die erste moderne PET-Mehrwegflasche für den österreichischen Markt. Prinzipiell entwickeln wir Mehrwegverpackungen, weil unsere Kunden sie wollen und fordern und weil wir glauben, dass dies ein großer Zukunftsmarkt sein wird. Für das Projekt mit Vöslauer konnten wir hier auf unsere langjährige Erfahrung zurückgreifen, denn wir produzieren bereits seit vielen Jahren eine PET-Mehrwegflasche für die Genossenschaft Deutscher Brunnen in Deutschland. Und auch für Coca-Cola in Mittelamerika haben wir PET-Mehrwegflaschen in verschiedenen Größen im Einsatz. Die PET-Mehrwegflasche für Vöslauer ist eine 1-Liter-Flasche, die mit 55 g rund 90 Prozent leichter ist als die Glasalternative. Allein das reduziert den CO2-Fußabdruck um rund 30 Prozent. Die Flasche besteht zu 100 Prozent aus recycelbarem PET-Monomaterial mit einem Recyclinganteil von rund 30 Prozent. Dieser soll über die Jahre kontinuierlich gesteigert werden. Bei zwölf Zyklen soll die Flasche etwa drei bis vier Jahre im Einsatz bleiben. Aus klimatischer Sicht lohnt sich die Investition bereits bei der ersten Nutzung. Bei Vöslauer werden durch die Einführung von wiederbefüllbarem PET rund 420 t/a CO2 eingespart. Damit beantwortet sich die Frage, warum sich Vöslauer für solche Mehrwegverpackungen entschieden hat.

Der rPET-Anteil an der Vöslauer-Mehrwegflasche liegt aktuell bei 30 %. Das Unternehmen möchte einen höheren Anteil an Rezyklat einsetzen. Da aber die Logistikketten nach Covid im zweiten Halbjahr 2022 neu organisiert wurden, ist neuartiges PET in Europa sehr günstig und verdrängt PET-Rezyklate. Dämpfend wirkt sich auch die nach wie vor hohe Inflation auf den Konsum aus. Recycler haben viel Material an den Händen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Sie haben Recht – der aktuelle Preis für neues PET ist eine echte Herausforderung für Recycler und die kritische Marktsituation wird durch den reduzierten Verbrauch im Privatsektor verschärft. Die ersten Recyclingwerke in Deutschland mussten aufgrund der aktuellen Absatz- und Preissituation bereits die Produktion einstellen. Aber wir stehen vor einer weiteren großen Herausforderung bzw. einer neuen Gefahr. Es handelt sich um den Import von rPET aus Ländern außerhalb der EU. Das Material ist günstiger als das in der EU hergestellte Material. Wir haben jedoch keine Gewissheit über die Herkunft des Materials, während die EU immer strengere Dokumentationen und Nachweise über Herkunft und Qualität von rPET oder anderen Rezyklaten fordert. Bei ALPLA wirken wir diesem Trend mit dem Ausbau eigener Recyclingwerke entgegen. Damit wollen wir sicherstellen, dass wir unseren Kunden auch in Zukunft ausreichend hochwertige Rezyklate zur Verfügung stellen können, um die ambitionierten Ziele der EU und weitere Vorgaben zu erfüllen.

Alpla-Vöslauer-Mehrweg

Die PET-Mehrwegflasche für die Mineralwassermarke Vöslauer war die erste moderne PET-Mehrwegflasche für den österreichischen Markt.

Für das Mineralwasser Donat Mg in Slowenien hat ALPLA ein geschlossenes Kreislaufsystem mit eigenen Recyclinganlagen entwickelt. Dieser geschlossene Kreislauf macht sie unabhängig. Die slowenische Regierung diskutiert noch, ob und wann ein DRS-System eingeführt werden soll. Wie sollte aus Ihrer Sicht eine langfristige Strategie für das PET-Recycling-System aussehen?

Das Pfandsystem (DZS) als Modell der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) wird eine integrierte, langfristige Strategie für das Recycling auf hohem Qualitätsniveau sein. Was keinen monetären Wert hat, hat für den einzelnen Bürger in der Regel keinen Wert. Es tut mir leid, so zu sagen, aber Geld scheint der effektivste (vielleicht sogar der einzige) Anreiz zu sein, die Flasche zurückzugeben. In Deutschland haben wir eine Retourenquote von 97 Prozent für PET-Flaschen über das Pfandsystem. Das zeigt deutlich, dass dieser Weg funktionieren kann, und ermöglicht uns als Recyclern natürlich auch, an mehr Material zu kommen. Wichtig ist aber, dass aus retournierten Flaschen auch wieder Flaschen werden und das Material nicht downgecycelt wird, was derzeit leider oft geschieht. Wir werden auch ein DRS-System für andere Materialien haben – wie wir es derzeit für Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) und Batterien in mehreren EU-Ländern haben. Frankreich wird EPR-Systeme für Heimwerkerbedarf und Spielzeug integrieren oder hat dies bereits getan. Das ist ein sehr wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Kreislaufwirtschaft. Warum verschiedene EU-Mitgliedstaaten zögerlich sind, mag an den prognostizierten Kosten des Systems liegen. Aber die Umweltkosten des „Nichtstuns“ werden viel höher sein!

Gesetze und Richtlinien können Investitionssicherheit für die Wirtschaft bieten. Wie beurteilen Sie die EU-Richtlinien wie SUP & PPWD für die Kunststoffverpackungsindustrie? Was sind die Herausforderungen für die relevanten Stakeholder wie Produzenten, Händler und Konsumenten?

Wie Sie erwähnten, sind die EU-Vorschriften eine Herausforderung für die Kunststoffindustrie. Derzeit konzentrieren sich die EU-Vorschriften vor allem auf Kunststoff und vernachlässigen andere Verpackungsmaterialien weitgehend. Wir fordern einen fairen Wettbewerb für alle Verpackungsmaterialien. Die einzige Grundlage für die Akzeptanz oder das Verbot einer Verpackung sollte der CO2-Fußabdruck oder generell der ökologische Fußabdruck eines Produkts oder Verpackungsmaterials sein. Hier setzen wir uns also definitiv für Öko-Modelle ein, und wir setzen uns auch auf EU-Ebene dafür ein. Denn beispielsweise eine Papierkombination mit einer nicht recycelbaren Kunststoffschicht herzustellen, nur um eine Plastiksteuer zu vermeiden oder zu minimieren, ist der falsche Weg und führt nicht zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft.  Der Einzelhandel ist das direkte Bindeglied zum Verbraucher und auch er ist von SUPD und PPWR betroffen. Beispielsweise müssen sie Mehrwegverpackungen anbieten. Wenn wir den Endverbraucher betrachten, müssen wir ihm eine bequeme Möglichkeit bieten, an der Kreislaufwirtschaft teilzunehmen, und das Bewusstsein dafür schärfen, dass jede leere Verpackung ein wertvoller Rohstoff ist, auch wenn wir dies über ein Pfandsystem tun müssen.

Für den Einsatz von rPET hat sich ALPLA nicht auf die klassische PET-Flasche beschränkt. rPET wird auch im Dünnwand-Spritzguss und beim Dünnwand-Extrusionsblasformen eingesetzt. Der gesamte Verpackungsmarkt wird abgedeckt. Neben PET- oder rPET-Verpackungen entwickelt ALPLA auch alternative Verpackungsmaterialien, die bio- oder papierbasiert sind. Für welche Anwendungen ist das Material vorgesehen? Wie hoch ist der Anteil von bio- und papierbasiertem Material in der aktuellen Produktion?

Wir bei ALPLA sind immer auf der Suche nach der besten Lösung für unsere Kunden. Und wir stellen fest, dass die Nachfrage nach alternativen Werkstoffen steigt. Deshalb suchen wir auch in diesem Bereich nach der besten Lösung. Bei PET, dem einzigen Recyclingmaterial (rPET), das für den direkten Lebensmittel- und Nährstoffkontakt verwendet werden kann, müssen wir das Recyclingziel der EU-Verordnungen erfüllen. Mit der Entwicklung des Dünnwandspritzgusses sind wir auf dem richtigen Weg. Die Frage nach papierbasiertem oder biobasiertem Material ist Teil derselben Strategie. Warum arbeiten wir daran? Weil wir die Lösung für unsere Kunden liefern und die Verpackung entwickeln, die integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft ist. Die von uns entwickelte Papierflasche muss im Papierrecyclingstrom recyclingfähig sein. Bei Biopolymeren muss zwischen biobasiert und/oder biologisch abbaubar unterschieden werden. Die biologisch abbaubaren Materialien werden in ganz bestimmten Nischen, beispielsweise in Kaffeekapseln oder Teebeuteln, eine Rolle spielen. Derzeit lassen sich diese Verpackungen jedoch nicht zusammen mit dem (benutzten) Inhalt, Tee oder Kaffee industriell kompostieren. Denn der Abbau dauert länger als bei professionellen Kompostieranlagen. Hier haben wir bei ALPLA eine Kaffeekapsel auf den Markt gebracht, die heimkompostierbar ist – mit dem gebrauchten Inhalt und dem Vlies. Materialverbesserungen lösen aber auch das Problem der zu kurzen Durchlaufzeiten in professionellen Kompostieranlagen. Biobasierte Polymere müssen nicht biologisch abbaubar sein, da es sich um sogenannte Drop-in-Chemikalien handeln kann (z. B. HDPE aus Zuckerrohrabfällen; es ist absolut identisch mit HDPE aus fossilen Quellen und nicht biologisch abbaubar). Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und uns neue biologisch abbaubare und biobasierte Materialien liefern, bin ich mir ziemlich sicher. Und unser Engagement in diesem Bereich gibt uns auch die Chance, hier Vorreiter zu sein. Derzeit spielen diese Produkte in der Anfangsphase der Herstellung und Nutzung eine untergeordnete Rolle.

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ALPLA hat eine Kaffeekapsel auf den Markt gebracht, die heimkompostierbar ist - mit gebrauchtem Inhalt und Vlies.

Eine letzte Frage an den Recycling-Experten: Recyclingmaschinenhersteller sehen mechanisches PET- und/oder Kunststoff-Recycling nicht am Ende seiner Entwicklung. Verbesserungen sind noch möglich. Auch das so genannte chemische Recycling für Kunststoffe ist im Entstehen begriffen und sollte ergänzend zu anderen Formen des Recyclings sein. Dazu werden einige Projekte durchgeführt. Es wird eine Vielzahl von Studien durchgeführt. Dieses kostspielige Verfahren erfordert jedoch Investitionen – aber das Problem scheint auch die Investitionssicherheit zu sein: Die Erforschung dieser Verfahren erfolgt vor allem mit bereits gut vorbereiteten und sortierten Materialströmen wie Polyolefinen. Das bedeutet, dass Investitionen auf Basis dieses Materials getätigt werden, inklusive PET. Wie beurteilen Sie die Situation und ist ALPLA an einer solchen Art des Recyclings interessiert?

Diese Frage lässt sich in diesem Interview wohl nicht beantworten. Ja, es gibt Fortschritte beim Recycling von Polymeren, aber nicht nur beim chemischen Recycling. Auch das mechanische Recycling eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten und erreicht neue Qualitätsniveaus. Aber um auf Ihre Frage nach dem chemischen Recycling und den Investitionen zurückzukommen: Beim chemischen Recycling müssen wir unterscheiden zwischen den Technologien für Polyolefine, vor allem Pyrolyse, und den Technologien für Polyester wie PET, also Metaanalytik, Glykolyse und Hydrolyse. Dabei handelt es sich um völlig unterschiedliche Technologien mit sehr genau definierten Eingangsparametern. Heute konzentrieren sich die meisten großen Ölkonzerne und Polymerproduzenten auf die Pyrolyse. Wie Sie erwähnt haben, liegen die Investitionen für solche Anlagen im Bereich von 600 bis 900 Millionen Euro oder mehr und haben Kapazitäten von 100.000 t/a und mehr. Um von den Vorstandsmitgliedern grünes Licht für eine solch enorme Investition zu erhalten, müssen die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen klar und günstig sein sowie der Markt und der Inputstrom klar und sicher sein. Wir bei ALPLA konzentrieren uns darauf, unsere mechanische Recyclingkapazität zu erhöhen, da wir davon überzeugt sind, dass dies die umweltfreundliche Möglichkeit ist, das Material im Kreislauf zu halten. Gleichzeitig beobachten wir aber sehr genau den Markt für die neuesten Entwicklungen im chemischen Recycling, um ein gleichberechtigtes Parallelleben zu sichern oder zumindest anzustreben. Chemisches Recycling sollte eine ergänzende und notwendige Recyclingtechnologie sein, aber es sollte den für das maschinelle Recycling geeigneten Inputstrom nicht stören.

 

Das Interview führte Heike Fischer für PETplanet.

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