Getränkeindustrie vor Herausforderungen
Die EU-Richtlinie 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt schreibt den Mitgliedsstaaten die Einführung angebundener Verschlüsse (Tethered Caps) für sehr viele Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff bis spätestens Juli 2024 vor. Dabei fordert sie die europäischen Normungsgremien zur Etablierung entsprechender Normen auf. Parallel dazu versuchen alle EU-Staaten, ihre Kunststoffverpackungsabfälle zu reduzieren. Viele Unternehmen, Regierungen, Organisationen und Verbände haben sich im Sinne des European Plastics Pact der absoluten Gewichtsreduktion um effektiv zehn Prozent bis spätestens 2025 verschrieben.
Über neue, freiwillige Normierungen der Industrie wird versucht, beide Ziele zu erreichen. Eine wichtige Rolle spielt hier der Normierungsverband Cetie mit seinen Empfehlungen zu Standards für die Entwicklung von PET-Flaschenhälsen. Das Datenblatt GME30.40 definiert dabei Spezifikationen und Anforderungen für hochkarbonisierte Getränke, GME30.37 für weniger stark karbonisierte Getränke. Beide Normierungen berücksichtigen dabei die Anforderungen der EU-Richtlinie.
Die Umsetzung von Normierungsempfehlungen nahm in der Vergangenheit Jahre in Anspruch und mündete in zahlreichen Standards. Der Zeitdruck für die Hersteller, nun bis ins Jahr 2024 möglichst beide oben beschriebenen Ziele zu erreichen, kann jedoch zu unterschiedlichen Herangehensweisen und damit auch zu einer Vielfalt an Halsvarianten führen.
Denn: Je kleiner der Hals, desto eher wird das Reduktionsziel erreicht. Doch hier sind wieder Grenzen gesetzt, denn nicht alle kleinen Hälse sind auch mit großen Flaschen kompatibel. Gleichzeitig müssen die Flaschenhälse auch zu den neuen, angebundenen Verschlüssen passen und entsprechend aufeinander abgestimmt werden, was wiederum den Spielraum an Lösungen erweitert. Hier ist auch die Sicherheit des Verbrauchers ein Thema, denn karbonisierte Getränke stehen unter sehr hohem Druck, wodurch dem Verschlussbereich besonderes Augenmerk gilt.
Im deutschen Markt sind bereits die ersten Flaschen mit angebundenem Verschluss im Umlauf. Hierbei handelt es sich um eine Variante des GME30.40, allerdings mit einem Halsring von 33 mm und einer Halshöhe von 15,2 mm. Dabei wurde GME30.40 speziell für den angebundenen Verschluss optimiert, GME30.37 ist dagegen als angebundene Variante schwerer umzusetzen.
Stichwort Halsring
Der Standard GME30.40 würde auch kleinere Halsringe bis zu einem Durchmesser von 30,2 mm sowie niedrigere Halshöhen und damit insgesamt viel leichtere Hälse zulassen. Jedoch ist er für große Flaschen nicht immer umsetzbar beziehungsweise müssten die Fülllinien und Blasformen, die derzeit noch mit dem alten Standard PCO1810 und 1881 betrieben werden, kostenintensiv umgebaut werden. Denn beide alten Standards hatten einen Halsring von 33 mm Durchmesser und ein Halsring dieser Größe erlaubt größere Flaschen.
Andreas Kainz, Packaging Manager bei ALPLA, bestätigt: „Die nun bereits auf dem Markt befindliche Variante des GME30.40 vereint sehr viele Vorteile in sich. Obwohl er nicht die leichteste Lösung ist, empfehlen auch wir unseren Kunden diesen Hals mit 2,8 g. Er ist etwa 1 g leichter als der ältere Standard PCO1881, inklusive der Kappe sogar 1,4 g. Zudem sind die 33 mm für viele Betriebe gut umsetzbar.“
Stichwort Halshöhe
Auch in der Halshöhe gibt es Unterschiede zwischen der Empfehlung von Cetie und den auf dem Markt befindlichen Varianten. Während Cetie einen Hals in der Höhe von 15,06 mm empfiehlt, setzen viele Marktteilnehmer auf einen leicht höheren Hals mit 15,2 mm, der einerseits die Produktsicherheit erhöht, andererseits mit dem neuen, angebundenen Verschluss besser zurechtkommt. „Daher empfiehlt auch ALPLA in diesem Bereich eine Halshöhe von 15,2 mm“, so Kainz.
Alle Marktteilnehmer sind sich der Tatsache bewusst, dass der notwendige Neu- oder Umbau von Werkzeugen, Fülllinien oder Verschließern für die Industrie eine enorme Belastung darstellt, weshalb sie ein Interesse daran haben dürften, dass es möglichst bald zur Etablierung eines einheitlichen Standards kommt. Gelingt dies nicht, gehen alle Vorteile eines freien Markts und Wettbewerbs verloren, denn sowohl ökonomisch als auch ökologisch wirken sich viele unterschiedliche Sonderlösungen in der Regel für alle Marktteilnehmer nachteilig aus.
Nach der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass schon ab dem 03.07.2024 nur noch Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff mit einem Füllvolumen von bis zu 3 l in Verkehr gebracht werden, bei denen der Verschluss während der Verwendungsdauer des Kunststoffartikels am Produkt befestigt bleibt. Diese Frist unterstreicht, dass nicht bis zum letzten Moment mit der Entscheidung gewartet werden darf. Sowohl bei der Herstellung neuer als auch beim Umbau bestehender Werkzeuge ist mit großen zeitlichen Verzögerungen zu rechnen. Alle Akteure müssen zeitgleich umstellen, wobei viele noch abwarten wollen, welche Variante sich letztlich durchsetzt. Mit jedem Monat, in dem keine Lösung gefunden wird, wird es immer unwahrscheinlicher, die Märkte in Europa rechtzeitig umstellen zu können.
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