18. April 2023

Wie kommt der Müll ins Meer?

Kunststoffe haben viele Vorzüge und dennoch oftmals einen schlechten Ruf. Das liegt auch an den vielen Bildern von Abfällen in der Natur und in den Ozeanen. Doch wie schauen die Kunststoffabfälle aus, woher kommen sie und was lässt sich dagegen unternehmen? Eine Geschichte von Flüssen, Fischerbooten und Geisternetzen.

The Ocean Cleanup

© The Ocean Cleanup

In unseren Ozeanen treibt eine Menge Müll. 75 Prozent davon sind Kunststoffabfälle. Was bisher weniger ins öffentliche Bewusstsein drang: Ein großer Teil des Abfalls stammt von verlorener Fangausrüstung der kommerziellen Fischerei. Das macht die Sache komplizierter.

Hauptmüllquelle professioneller Fischfang

Die Fischereibranche schätzt die positiven Eigenschaften von Kunststoffen. Kein Wunder: Das leichte Handling, die höhere Haltbarkeit und die große Zuverlässigkeit übertreffen alle natürlichen Materialien. Tag für Tag gehen um die viereinhalb Millionen Fischerboote in den Ozeanen auf Fang. Da geht einiges verloren: Laut Schätzungen des WWF besteht der Kunststoffabfall im Meer in großen Teilen auch aus verlorenen Seilen, Leinen, Bojen, Körben, Eimern, Angelschnüren und Netzen. Jedes Jahr kommen über eine Million Tonnen hinzu. Den Beweis lieferte die Analyse des weltweit größten Müllstrudels – des Great Pacific Garbage Patch (GPGP) zwischen Hawaii und Kalifornien. Der besteht zu 70 Prozent aus Fischereiausrüstung – knapp die Hälfte davon bilden sogenannte Geisternetze – und wiegt insgesamt rund 79.000 Tonnen. Aktuelle Studien wie die Analyse der Umweltinitiative „The Ocean Cleanup“ sprechen sogar von bis zu 86 Prozent Kunststoffabfällen aus der Hochseefischerei im GPGP.

Wie es dazu kommt? Bei Fangarbeiten, Stürmen oder Unfällen geht Equipment über Bord. Stell- oder Schleppnetze reißen ab und treiben als „Geisternetze“ durch die Ozeane. Sie verfangen sich am Meeresgrund, an Gesteinen, Riffen und Wracks. Die Bergung ist schwierig, da die Netze zunächst aufgespürt und mühsam per Handarbeit befreit werden müssen. Inzwischen erfolgt die Suche mit Sonar, künftig sollen Netze mit GPS-Trackern ausgerüstet werden. Der robuste Materialmix bedarf zudem eines intensiven Recyclings. Die gute Nachricht: Zahlreiche Länder, Forschungseinrichtungen, Umweltorganisationen und Fischereibetriebe haben mittlerweile die Bedeutung des Themas erkannt und leiten Gegenmaßnahmen ein.

Flüsse: Transportwege für Müll

Der zweite Grund für zunehmenden Kunststoffabfall in den Meeren ist ebenfalls bekannt: Die weltweite Müllzufuhr vom Land ins Meer lässt sich laut Studien auf die zehn größten Flüsse Asiens und Afrikas eingrenzen. Sie spülen jährlich rund zwölf Millionen Tonnen Kunststoffabfall in die Ozeane. Allen voran der Jangtsekiang, gefolgt von Indus, Huangho, Nil, Ganges bis zu Niger und Mekong. Die Verschmutzung ist die Kehrseite des rasanten Wirtschaftswachstums.

Doch auch hier bewegt sich einiges: Investitionen in den Ausbau einer geordneten Entsorgung und Weiterverwertung des Abfalls als Energiequelle sollen die Verschmutzung stoppen. Da sich der weltweite Mülltransfer vor allem auf zehn große Flüsse konzentriert, können zudem lokale Maßnahmen ergriffen werden: Die Organisation „The Ocean Cleanup“ hat ein neues Abfangsystem für den Einsatz in Flüssen entwickelt. Der „Ocean Cleanup Interceptor“ ist ein solarbetriebenes, 24 Meter langes Boot mit Siebvorrichtung und Container. Es soll bis zu 50 Tonnen Müll pro Tag aus den fließenden Gewässern filtern – bevor sie in den Ozean gelangen. Ein Engagement, das Schule machen könnte.

Fischereiausrüstung in den Meeren

Pro Jahr gehen über zwei Prozent aller Fischfanggeräte verloren. In den Weltmeeren befinden sich heute bereits 25 Millionen Reusen (Fangkäfige), 14 Milliarden Köderhaken, 2.963 Quadratkilometer Kiemennetze, 75.049 Quadratkilometer Ringwandnetze (fast so groß wie Österreich), 218 Quadratkilometer Schleppnetze (rund 30.000 Fußballfelder), 739.538 Kilometer Lang- und Hauptleinen (genug für 17 Weltumwicklungen) und 11,5 Millionen Zweigleinen.

Gegenmaßnahmen:

  • Internationales Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL): Verbot der Schadstoffeinbringung ins Meer.
  • EU-Fischerei-Kontrollverordnung: Entsorgungsverbot von Fischereigeräten im Meer und Meldepflicht für verlorene Netze.
  • Organisationen und Projekte wie „Marelitt Baltic“, „AegeanRebreath“, „GhostNets Australia“, „Ghost Diving“ oder „Healthy Seas“: Einsatz für Bergung, Entsorgung und Wiederverwertung von Geisternetzen.

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