Die Öffentlichkeit muss auch die Vorteile erkennen
ALPLA CEO Philipp Lehner möchte nicht nur das Recycling von Kunststoffen und die Kreislaufwirtschaft weiter voran treiben, sondern auch die positiven Seiten und Vorteile der Kunststoffe in die öffentliche Diskussion einbringen. Die Details erklärt er im Exklusiv-Interview mit der Kunststoffzeitung.
"Vorteile werden in den Diskussionen über Kunststoffe meist nicht berücksichtigt"
Herr Lehner, Sie arbeiten mit einer Agentur zusammen, die sich auf den Nutzen von Kunststoff fokussiert. Was hat Sie dazu bewegt?
Wir haben mit ALPLA über 60 Jahre den Kunststoff als Verpackungsmaterial immer weiter entwickelt und wollen dies auch die nächsten 60 Jahre tun – hoffentlich sogar noch deutlich länger. Wir sehen es aber auch als unsere Aufgabe, für diesen Werkstoff einzustehen und die emotional geführte öffentliche Diskussion um die Vorteile von Kunststofflösungen zu erweitern.
Denn in den vergangenen 60 Jahren haben Kunststoffe viel Positives erreicht und lange Zeit viel Rückenwind bekommen. Über die letzten Jahre sind aber andere Aspekte hinzugekommen, die leider zu einer sehr einseitigen Sicht der Dinge geführt haben. Unsere Position ist, dass Kunststoffe in ihre heutige Bedeutung gerückt sind, weil sie sehr viele Vorteile in sich bergen. Zum Beispiel die hohe Festigkeit, die gute Formbarkeit, die chemische Stabilität, den günstigen Preis und viele mehr. Diese Vorteile bringt der Kunststoff immer noch mit sich, doch sie werden in der aktuellen, oft emotional geführten Diskussion meist nicht berücksichtigt. Wir wollen deshalb die öffentliche Diskussion um die positiven Aspekte erweitern, damit relevante Entscheidungen auf einer besseren Grundlage getroffen werden können.
Die restliche Industrie ist hier leider relativ zurückhaltend. Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute mit ihrem Geistesreichtum, ihrer Ideenvielfalt und ihren Erfahrungen dazu beitragen, dass die Diskussion um Kunststoffe mehr Nuancen erhält. Darum haben wir relativ viele Interaktionen mit der Öffentlichkeit, was für einen Produzenten wie uns, der historisch eher im Hintergrund agiert hat, eine Umstellung ist. Aber ich würde mich freuen, wenn andere Vertreter der Branche hier mitziehen würden. Dies auch vor dem Hintergrund, das wir im Moment sehr viel Aktionismus wahrnehmen. In Gesprächen mit verschiedenen Interessensgruppen werde ich immer häufiger mit Forderungen konfrontiert, die ich beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen kann.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel mit einem Verbot von PET-Flaschen. Das könnte man natürlich machen, aber dann hätte zum Beispiel ein Großteil der Bevölkerung von Mexiko keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser mehr. Solche Tatsachen muss man berücksichtigen, wenn man Lösungen finden will, die auch funktionieren. Dazu kommt noch, dass in der öffentlichen Diskussion verschiedene Faktoren in einem Topf geworfen werden, die nichts miteinander zu tun haben. So wird zum Beispiel die Verschmutzung der Umwelt durch Kunststoffmüll mit dem CO2-Ausstoß in Verbindung gebracht. Fakt ist, dass es in Bezug auf den CO2-Ausstoß keinen anderen Werkstoff gibt, der besser abschneidet als Kunststoff. Leider werden solche positiven Seiten der Kunststoffe in der Diskussion oft vergessen.
"Es ist wichtig, ein Gesamtbild vor Augen zu haben"
Experten gehen davon aus, dass monate- oder sogar jahrelange Argumentation mit Fakten durch ein einziges Bild zerstört werden kann – zum Beispiel von einer Schildkröte, deren Hals in einem Sixpack-Träger steckt. Kann denn ein Einzelner oder ein einzelnes Unternehmen gegen professionell agierende Non-Profit-Organisationen überhaupt etwas ausrichten?
Ich sage nicht, dass das leicht ist. Aber es ist notwendig, und es gibt keine Alternative dazu. Solche Bilder wie das von der Schildkröte gibt es, und Bilder sind auch sehr starke Transportmedien für Mitteilungen. Aber es ist wichtig, ein Gesamtbild vor Augen zu haben. Der Weg ist vielleicht steinig, aber nun muss auch die andere Seite reagieren, weil wir machen, was wir machen. Uns ist es deshalb wichtig, die öffentliche Diskussion zu erweitern und zu bereichern, damit man das eigentliche Problem identifizieren und eine Lösung erarbeiten kann.
Wir wollen sicherstellen, dass die Aufmerksamkeit nicht der Emotion folgt, und vermeiden, dass Entscheidungen getroffen werden, die nichts mit dem realen Problem zu tun haben. Wir wollen die Kommunikation dorthin leiten, dass die echten Probleme im Fokus stehen. Und wir wollen auch bewusst machen, dass es auf der ganzen Welt viele schöne Lösungen gibt, die schon sehr gut funktionieren. Darunter ist zum Beispiel eine Müllverbrennungsanlage in Afrika, bei der gebrauchter Kunststoff eine zweite wichtige Verwendung als Energiequelle findet. Nach meiner Überzeugung funktionieren generell Lösungen am besten, die mehrere Bedürfnisse gleichzeitig stillen. In diesem Fall die Erzeugung von Energie und Wärme kombiniert mit der Entsorgung von Verpackungsmaterial, das sich nicht mehr unkontrolliert in der Natur ansammelt.
Der Eintrag von Kunststoff in die Natur ist ja genau das Problem, mit dem die Branche derzeit kämpft.
Richtig. Keiner will am Stand inmitten von Plastikmüll sitzen und keiner will eine Schildkröte sehen, deren Hals in einem Plastikteil feststeckt. Dafür braucht es Lösungen. Aber wir dürfen in der ganzen Diskussion auch nicht vergessen: Dass wir heute Probleme mit Kunststoff in der Natur haben, resultiert auch aus der unglaublichen Erfolgsstory der Kunststoffe. Die Welt ist dank des erfolgreichen Handelns in den letzten Dekaden noch nie so gut dagestanden wie heute. Wir haben das höchste Pro-Kopf-Einkommen, den geringsten Anteil von Menschen unter der Armutsgrenze, die niedrigste Kindersterblichkeit.
Wenn wir uns ansehen, wie sich die Welt entwickelt hat, ist dies ein unglaubliche Erfolgsgeschichte. Wir haben mit unseren Lösungen für den Massenkonsum mit dazu beigetragen, den heutigen Wohlstand zu erzeugen. Nun ist es aber so, dass wir künftig nicht weniger Menschen auf der Erde haben werden, sondern mehr. Die große Mehrheit dieser Menschen wird keinen eigenen Garten haben, um sich zu versorgen, sondern wird in Städten leben und diese Menschen müssen wir auch in Zukunft ordentlich versorgen. Und dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.
Generell hat sich – auch dank des Einsatzes von Kunststoffen – vieles zum Positiven verändert. Jetzt gilt es den nächsten Schritt zu tun, das Problem mit Kunststoffabfällen zu identifizieren und eine Lösung zu finden. Doch der Mensch ist ein Genius – er wird sich dem annehmen und er wird eine Lösung finden.
"Diskussion in der Öffentlichkeit um mehr faktenbasierte Effekte erweitern"
Mal angenommen, eine gute Fee kommt in Ihr Büro und Sie hätten drei Wünsche aus dem großen Bereich der Kunststoffverpackungen frei. Welche wären das?
Als erstes würde ich mir wünschen, dass die öffentliche Diskussion um mehr faktenbasierte Effekte erweitert wird. Das ist auch unsere Mission im Dialog mit der Öffentlichkeit. Ich würde mir aber auch mehr Sammelsysteme und Mechanismen für die Wiederverwertung wünschen. Hier gibt es inzwischen sehr viele, gut funktionierende Technologien für das physische Recycling, die wir mit ALPLA auch mit großem Engagement voran treiben, aber wir werden die Diskussion auch um das Energierecycling erweitern müssen. Ich würde mir deshalb noch wünschen, dass künftig bei allen Diskussionen rund um Verpackung und Recycling im Vordergrund steht, dass wir aus den Materialen, die wir verwenden, den maximalen Nutzen herausholen. Denn das Ziel muss es sein, insgesamt weniger Ressourcen zu verbrauchen.
Das Interview führte Günter Kögel, Kunststoffzeitung
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