Hard, 29. November 2019

Gemeinsam die bio-basierte Papierflasche zur Marktreife führen

Ein Interview mit Florian Müller, CTO der Paper Bottle Company.

Im April 2019 gaben ALPLA und der führende schwedische Anbieter von Verpackungsmaterialien und -lösungen aus Papier BillerudKorsnäs bekannt, dass sie ein Joint Venture für die Entwicklung einer Papierflasche gründen. Die Kooperation firmiert mittlerweile unter dem Namen Paboco (Paper Bottle Company).

Das Start-up hat mit seinen Eigentümern bereits zwei starke Partner im Hintergrund, zusätzlich hat Paboco mit der sogenannten Pioneer Community ein beachtliches Netzwerk geknüpft. Gemeinsam mit den Pioneer Brands Carlsberg, L’Oréal, CocaCola Europe und Absolut sowie Technologiepartnern wird nun intensiv an der Umsetzung des langfristigen Zieles gearbeitet: die Entwicklung und Skalierung einer vollständig biobasierten und recyclingfähigen faserbasierten Flasche aus erneuerbaren Materialien.

Paboco CTO Florian Müller beleuchtet im Interview die nächsten Schritte und die Herausforderungen dabei. Der 32-Jährige war für ALPLA federführend bei den Vorbereitungen für das Joint Venture tätig. Seit September 2019 ist er Chief Technology Officer (CTO) bei Paboco.

Herr Müller, wie kommt es, dass ein international bekannter Spezialist für Kunststoffverpackungen wie ALPLA in ein Joint Venture investiert, das die Entwicklung einer Papierflasche zum Ziel hat? Zeichnet sich eine Abkehr von Kunststoffen ab?

ALPLA ist ein Verpackungshersteller und produziert Hohlkörperverpackungen aus Kunststoff für unterschiedlichste Marktsegmente. Die Technologie, zu der ALPLA mit dem Joint Venture Zugang bekommen hat, ermöglicht ebenfalls die Herstellung eines Hohlkörpers, und ist sehr nah an dem, worin das Familienunternehmen seit 60 Jahren führend tätig ist. Es ist also keine Abkehr von Kunststoff, sondern eine Erweiterung des Produktportfolios und stellt eine komplementäre Lösung dar. Die Papierflasche könnte in Zukunft eine weitere und sinnvolle Option sein, die ökologisch beste Verpackungslösung für den jeweiligen Anwendungsbereich anbieten zu können.

Dennoch, die Materialien Papier und Kunststoff könnten unterschiedlicher nicht sein…

Natürlich hat Papier ganz andere Eigenschaften als Kunststoff, es bietet aber auch andere Möglichkeiten. Es muss sich zudem erst herausstellen, ob die Technologie soweit entwickelbar ist, dass wir relevante Mengen wirtschaftlich herstellen und in einer mit der Kunststoffindustrie vergleichbaren Liga agieren können. Es hängt ja auch sehr stark vom Füllgut ab. Viele Produkte werden meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich noch sehr lange auf eine kunststoffbasierte Verpackungslösung zurückgreifen müssen, um den Transport, die Sicherheit und die Qualität des Füllgutes bis zum Endkonsumenten zu garantieren. Kunststoff wird aufgrund seiner Funktionen in bestimmten Anwendungsbereichen nicht abzulösen sein.

Welche Rolle trägt ALPLA im Joint Venture, respektive bei der Entwicklung der Papierflasche?

ALPLA hat zwei Rollen inne: Einerseits ist ALPLA Eigentümer und damit Finanzgeber, andererseits kommt ALPLA eine Schlüsselrolle in technischer Hinsicht zu. Wir bringen Know-how ein, wie man Produktionskapazitäten auf robuster und skalierbarer Basis schafft. Sprich wir kümmern uns darum, dass die Produktionsprozesse stabil werden und wir in Zukunft in der Lage sind, relevante Stückmengen für den Markt herstellen zu können. Schlussendlich könnte Paboco das Netzwerk bestehender Produktionsstandorte der ALPLA Gruppe als Partner nutzen und Produktion an verschiedensten Standorten weltweit anbieten.

Wie ist der aktuelle Stand in technischer Hinsicht? Wo liegen derzeit die Herausforderungen?

Derzeit haben wir eine Prototypenmaschine, auf der wir Testmengen für unsere Pioneer Brands herstellen und gleichzeitig den Prozess weiterentwickeln. Somit ist die Verfügbarkeit der Maschine, die auch noch nicht robust genug ist, eine Herausforderung. Probleme müssen wir gewissenhaft analysieren und verstehen, und auch mit den Eigenschaften des Materials besser umgehen können. Pulpe verhält sich grundlegend anders als Kunststoff. Hier sind wir auf der Suche nach den passenden Lieferanten für optimale Zulieferteile. Eine Sache kommt uns zugute: Die Faserindustrie hat eine lange Tradition, es gibt die richtigen Produkte, aber wir müssen die richtigen Partner finden.

Was jedoch in der Faserindustrie komplett neu ist, ist die Herstellung von formstabilen Hohlkörpern – also die dritte Dimension. In diesem Bereich gibt es einige Kernthemen, die wir intern lösen müssen – dort, wo wir uns von anderen Herstellungsverfahren abheben. Hier forschen und entwickeln wir intensiv.

Im Oktober 2019 hat Paboco eine erste Generation der Papierflasche vorgestellt. Diese hat aber noch eine Barriere aus Kunststoff, wie wird die Entwicklung der Barriere weitergehen?

Wir arbeiten ganz klar in Richtung unserer Vision: Paboco will eine zu 100 Prozent bio-basierte Papierflasche entwickeln, die in der Lage ist Flüssigkeiten aufzunehmen und zu schützen. Dafür müssen wir gewisse Komponenten noch entwickeln. Und um in dieser Zeit trotzdem wichtige Fortschritte zu machen, arbeiten wir aktuell an den Generationen 1 und 2 der Papierflasche mit einer Barriereschicht aus Kunststoff. In der Generation 1 sind das noch fossil basierte Werkstoffe wie PET oder recyceltes PET. Für die Generation 2 arbeiten wir mit dem Technologiepartner Avantium an einer Barriere aus dem bio-basierten Werkstoff PEF. Hinzu kommt, dass ALPLA sehr rasch eine Lösung für den Innenlayer der Generation 1 liefern konnte. So war es uns möglich, im Rahmen des C40 Events in Kopenhagen Anfang Oktober 2019 erstmals Bier aus Papierflaschen der Generation 1 zu servieren.

Unser Ziel ist es jedoch nicht, das in großem Stil umzusetzen, sondern möglichst Barrieren für eine zu 100 Prozent bio-basierte Faserverpackung zu entwickeln. Das Thema Barriere im Faserbereich ist derzeit eine Art Heiliger Gral. Ich bin überzeugt, dass derjenige der das knackt und eine vernünftige Lösung entwickelt, einen massiven Schub im Verpackungsmarkt auslösen wird.

Und Generation 3 ist die zu 100 Prozent bio-basierte, recyclingfähige Verpackungslösung, unter Umständen auch biologisch abbaubar. Das ist allerdings ein Anspruch, den wir nicht besonders hervorheben wollen. Wir wollen Materialien im Kreislauf halten und Konsumenten nicht suggerieren, dass es egal ist, wenn Verpackungen in der Umwelt landen.

Haben Sie also die Sorge, dass solche Verpackungslösungen das Littering verharmlosen oder sogar fördern, weil es sich ohnehin rasch abbaut?

Wir denken im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Fasern sind ein wichtiger Rohstoff, die Altpapierindustrie ist auf gute Primärfaserströme angewiesen. Mit der Papierflasche könnten wir hier einen guten Beitrag leisten. Selbstverständlich entwickeln wir diese Verpackungslösung nicht fürs Littering, das wäre absurd. Aber wenn die Verpackung doch in der Umwelt landet, dann schadet sie der Natur nicht lange, weil sie in ihre Bestandteile zerfallen kann.

Zurück zur Generation 3, wann werden wir diese Papierflaschen auf dem Markt sehen?

Ich denke, dass wir Prototypen relativ rasch sehen werden. Aber es ist ja nicht nur mit der Entwicklung der Barriere für Generation 3 getan. Es braucht auch ein passendes Verschlusssystem und wir müssen die Skalierbarkeit unter ökonomischen Bedingungen sicherstellen. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich. Wir lernen unglaublich viel und ich bin sehr froh, dass ALPLA sich an diesem Joint Venture beteiligt und auch ich persönlich diese Chance habe.

Die sogenannte Pioneer Community soll ja die Entwicklung der Papierflasche zusätzlich beschleunigen …

Ja, wir haben für die Realisierung unseres Zieles ein denkbar gutes Set-up und schlagkräftiges Netzwerk: Mit ALPLA und BillerudKorsnäs arbeiten ein Technologieentwickler und Konverter und ein Materiallieferant sehr eng zusammen. Auch die Pioneer Brands mit Carlsberg, L’Oréal, CocaCola Europe und Absolut leisten einen wichtigen Beitrag: Diese namhaften Unternehmen sind bereit, das Produkt zu unterstützen und auf den Markt zu bringen. Das erzeugt einerseits Relevanz für den Markt und bringt andererseits Endkonsumenten die Vorteile dieser neuen Verpackungslösung näher. Und unsere Technologiepartner Avantium und Teknos liefern Lösungen – besonders im Barrierebereich – und passen sie unseren Bedürfnissen an. In diesem partnerschaftlichen Zusammenspiel soll es schneller funktionieren, jeder ist in seinem Bereich Experte und gemeinsam nutzen wir Synergien.

Wie wird man sicherstellen, dass diese Flaschen optimal recyclingfähig sind? Kann man sie mit dem Altpapier entsorgen? Müssen die Flaschen als eigene Fraktion im Recycling sortiert werden?

Ziel ist es natürlich, eine recyclingfähige Flasche herzustellen, die in bestehende Recyclingströme aufgenommen werden kann. Wir fokussieren auf den Papierstrom, da die Generation 3 ja völlig kunststofffrei sein soll. Damit wären der Gelbe Sack oder die Gelbe Tonne derzeit der falsche Ansatz. Laut Gesprächen, die wir geführt haben, ist bereits die Generation 1 der Papierflasche für den Altpapierstrom geeignet, wenn auch nicht optimal. Dabei würde der Kunststoff abgetrennt und der Papieranteil wieder zu Pulpe verarbeitet. Carlsberg geht derzeit klar auf ein Pfandsystem. Nicht zuletzt deswegen, weil das Pfandsystem in skandinavischen Ländern etabliert ist und von den Konsumenten sehr gut angenommen wird.

Gefallen Ihnen unsere Texte? Vielleicht sogar so gut, dass Sie sie in Ihren Medien auch verwenden wollen? Dann kontaktieren Sie uns bitte vorher!

press@alpla.com